Ein Fall von Allergie
aufgrund von Bissen einer Strumpfbandnatter
(Gattung: Thamnophis)
Autoren: Heidi Künzli
und Martin Hallmen
Vergiftungserscheinungen oder allergische Reaktionen nach Bissen von Strumpfbandnattern sind äußerst selten. Es sind bislang nur wenige schriftliche Berichte darüber bekannt. In Perlowin (1994) wird auf einige Berichte über allergische Reaktionen nach Bissen hingewiesen; es dürfte sich um persönliche Mitteilungen an den Autor handeln. Ob dabei wirklich eine echte Allergie vorlag bleibt offen.
Alle wirklich belegten schriftlichen Berichte beschreiben Vergiftungserscheinungen nach Bissen von Strumpfbandnattern. Mutschmann (1995) erwähnt zwei von Hayes & Hayes (1986) und von Minton & Weinstein (1987) dokumentierte Fälle von Vergiftungserscheinungen nach Bissen von Thamnophis sirtalis bzw. Thamnophis elegans und fügt selbst einen weiteren Bericht nach einem Biss von Thamnophis sirtalis similis an. Lediglich Gould (1998) berichtet über einen Todesfall nach einer allergischen Reaktion auf den Biss einer Strumpfbandnatter und bezieht sich dabei auf eine persönliche Mitteilung von Grenard.
Im Folgenden wird von zwei weiteren Fällen von Vergiftungserscheinungen nach Thamnophis -Bissen berichtet.
Beschreibung der Vorfälle
Ausgangspunkt für beide zugrunde liegenden Vorfälle waren Bisse des selben Männchens von Thamnophis sirtalis sirtalis „Florida blue“. Das Tier war zum Zeitpunkt der Bisse semiadult und stammt aller Wahrscheinlichkeit nach aus einem Wildfang. Seit dem 11.1.1997 befindet es sich in meinem (Künzli) Besitz. In beiden Fällen wurde ich gebissen und zeigte die geschilderten Symptome.
Erster Biss
Der erste Biss erfolgte am 9.2.1997 gegen 8.00 Uhr. Das Tier verbiss sich beim Wasserwechsel hinter das Handgelenk der rechten Hand. Nach dem Zubeißen ließ es die Bissstelle nicht wieder los. Im Gegenteil: Es erweiterte und vertiefte die entstandene Wunde durch kauende Bewegungen immer weiter, bis mein Mann mir zur Hilfe eilte und das Tier von meinem Handgelenk löste. Im Verlauf des Tages bildete sich an der Bissstelle ein Bluterguss. Eine Schwellung blieb aus. Nach einigen Tagen war von dem Biss praktisch nichts mehr zu sehen. Doch eine Woche nach dem Biss stellte sich ein starker Juckreiz an der Stelle des Bisses ein, die sich inzwischen blau verfärbt und ein Ekzem ausgebildet hatte. Der Juckreiz wurde mit Salbe behandelt. Nach einigen weiteren Tagen waren alle Symptome abgeklungen.
Zweiter Biss
Der zweite Biss ereignete sich am 13.10.1997 um 22.30 Uhr. Das Tier sollte zur Behandlung einer Augeninfektion aus dem Terrarium entnommen werden. Dabei biss es mir zwischen Daumen und Zeigefinger in die linke Hand. Die Schlange führte nach dem Biss die bereits vom ersten Biss bekannten kauenden Bewegungen aus. Da ich zu diesem Zeitpunkt alleine im Haus war, wusste ich mir keinen anderen Rat, als mit dem Tier zum Wasserhahn zu gehen, das Wasser über seinen Kopf laufen zu lassen und die Temperatur des Wassers dabei so lange zu erhöhen, bis die Schlangen von mir ließ. Nach der Behandlung des Tieres an seinem Auge wurde es wieder in sein Terrarium verbracht. Ich selbst setzte mich vor den Fernseher. 15 Minuten nach dem Biss stellte sich ein starker Juckreiz an der linken Handinnenfläche ein, der sich rasch bis unter die Achsel ausbreitete. Ich wollte mir diese Reaktion meines Körpers erst gar nicht eingestehen und versuchte sie zu ignorieren. Doch die Symptome wurden immer schlimmer. Bald bildeten sich am ganzen Körper rote Flecken mit Quaddeln aus. Der Juckreiz war inzwischen so stark, dass ich ihn mit einer Dusche zu lindern versuchte; doch ohne jeglichen Erfolg. An Schlaf war in diesem Zustand überhaupt nicht zu denken. Allmählich schwollen zusätzlich die Hand und die untere Hälfte des Unterarms an. Erst gegen 1.00 Uhr sollte mein Mann nach Hause kommen. In der Zwischenzeit nahm ich einen Kaffee zu mir.
Als mein Mann nach Hause kam, erschrak er so sehr ob meines Aussehens, dass er mich umgehend zu einem Arzt bringen wollte. Da sich kurz zuvor jedoch keine Verschlechterung meiner Lage mehr ergeben hatte, lehnte ich sein Angebot ab. Aus meiner Sicht schien das Schlimmste gelaufen zu sein. Doch alsbald bekam ich eine Kreislaufstörung, die sich in liegender Position jedoch rasch wieder gab. Nach einem weiteren Kaffee hatte ich mich 30 Minuten später soweit erholt, dass ich schlafen gehen konnte.
Am folgenden Morgen war die Hand immer noch stark geschwollen und mein ganzer Körper mit roten Flecken übersät. Dadurch war ich so sehr behindert, dass ich mir nicht einmal die Schuhe binden konnte. Ich entschloss mich darauf hin, einen Arzt aufzusuchen. Der Arzt verabreichte mir eine Auffrischung meiner Tetanus-Schutzimpfung, 20 mg SPIRICORT und das Antiallergikum ZYRTEC.
Am darauf folgenden Tag war die Hand um die Hälfte abgeschwollen. Nach 4 Tagen waren alle Symptome abgeklungen. Schmerzen hatte ich außer dem Spannen der Haut nicht verspürt.
Diskussion
Ich (Hallmen) schilderte die Symptome und den Krankheitsverlauf Herrn Dr. Frank Mutschmann. Wenngleich die Beurteilung der beiden Fälle für ihn ohne Daten des direkt betreuenden Arztes nicht einfach war, stufte er beide Fälle vorsichtig als Vergiftungserscheinungen in Folge der jeweiligen Bisse ein (Mutschmann pers. Mit. 2000). Der vergleichsweise langsame Aufbau der Symptome über zahlreiche Stunden hinweg steht nicht in Einklang mit der sehr raschen Symptomabfolge bei einem anaphylaktischen Schock aufgrund einer vorliegenden Allergie.
Die geschilderten beiden Fälle von Vergiftungen als Reaktionen auf Bisse von Strumpfbandnattern der Gattung Thamnophis lassen zusammen mit den wenigen aus der Literatur bekannten Fällen die Vermutung zu, dass alle bislang bekannten Reaktionen auf Bisse dieser Schlangengattung Vergiftungserscheinungen sein könnten. Hinweise auf eine echte Allergie auf Inhaltsstoffe des Speichels von Strumpfbandnattern liegen bislang nicht zweifelsfrei vor. Dieser Vermutung steht der in Gould (1998) geschilderte Fall einer tödlich verlaufenen allergischen Reaktion auf einen Thamnophis-Biss entgegen. Zur Abgrenzung von Vergiftungserscheinungen und allergischen Reaktionen müssten zukünftig medizinische Dokumentationen derartiger Vorfälle erstellt und ausgewertet werden.
Danksagung
Wir danken Herrn Dr. Frank Mutschmann für hilfreiche Hinweise.
Literatur
Gould, F.D. (1998): An Introduction to the Natural History of North American Garter Snakes with Basic Triage Practices. - J. Wildlife Rehabilitation, 21(3/4): 9-18.
Hayes, W.K. & Hayes, F.E. (1986): Human envenomation from the bite of the eastern garter snake, Thamnophis sirtalis sirtalis (Serpentes: Colubridae). – Toxicon, 23(4): 719-721.
Minton, S.A. & Weinstein, S. (1987): Colubrid snake venoms: Immunologic relationship, electrophoretic patterns. – Copeia, 1987: 993-1000.
Mutschmann, F. (1995): Die Strumpfbandnattern: Biologie, Verbreitung, Haltung. - Westarp Wissenschaften: 172 Seiten. Magdeburg.
Perlowin, D. (1994): The General Care and Maintenance of Garter Snakes & Water Snakes. – Advanced Vivarium Systems: 71 pp. Lakeside.
Abstract
Two cases of toxic reactions after bites of a male snake of Thamnophis sirtalis sirtalis „Florida blue“ are described. The bites happened in 1997. Both of them were directed to the hands and arms while doing the usual work at the terrarium. The snake performed chewing movements while biting. The reactions to the second bite were much more severe compared to the first accident. 15 minutes after the bite I felt an extreme itching in the bitten hand moving fast to the arm-pit. Soon the whole body was filled with red spots and hives. The hand and the arm began to swell.
The day after the second bite the hand and arm were still swollen. I went to a physician. An other day later the swelling of the hand and arm decreased to half of the size it showed in its maximum stage. Four days after the bite all symptoms had gone.
We told our observations to Mr. Frank Mutschmann. He estimated the incidents as a real poisoning after the bites of the garter snake. The venom is said to be one of the chemical substances in the saliva of the snake. All of the rare reports of toxic reactions after bites of garter snakes in literature and our experiences seem to be toxic reactions. There are still no indications for allergic reactions to Thamnophis bites.